Krebs Immunsystem

Innovativ an den Tumorherd

Von Tobias Lemser · 2025

Bundesweit erkranken jedes Jahr fast 500.000 Menschen an Krebs. Dank akribischer Forschung auf dem Feld der personalisierten Therapie können immer mehr Betroffene geheilt werden. Andere wiederum sind so in der Lage, ihre Lebenszeit zu verlängern. Wer kann davon profitieren, und inwieweit ist die Teilnahme an einer Studie therapeutisch sinnvoll?

3D-Darstellung von Krebszellen in Blau mit gelben und grünen Strukturen, die das Immunsystem und Zellinteraktionen symbolisieren.
Bei der CAR-T-Zelltherapie werden T-Zellen als körpereigene Immunwaffe durch genetische Veränderung darauf programmiert, Krebszellen zu erkennen und zu zerstören. Foto: iStock / Nemes Laszlo

Allein die Tatsache, einen pathologischen Befund zu benötigen, um eine mögliche Tumorerkrankung auszuschließen, klingt für viele Menschen wie eine Horrorvorstellung. Ganz zu schweigen von dem Moment, in dem Tage später die Diagnose Krebs bekannt wird – ein Schock, der den Betroffenen geradezu den Boden unter den Füßen wegzieht. Warum gerade ich? Wie geht es jetzt weiter? Werde ich wieder gesund? Nur einige Fragen, die sich unmittelbar danach stellen. Viele Patientinnen und Patienten sind so sehr getroffen und verunsichert, dass sie zumeist nach zwei, drei Erklärungen zu Krankheit, Therapie und Verlauf nichts mehr aufnehmen können. Ärztinnen und Ärzte raten dann oft, zu einem späteren Zeitpunkt aufkommende Fragen und das weitere Vorgehen ausführlich zu besprechen. Sehr hilfreich ist es oftmals, einen Familienangehörigen oder eine befreundete Person hinzuzuziehen, um bestimmte Details besser aufzunehmen.

Wendepunkt in Krebstherapie

Da die Klinik, in der Diagnostik und Behandlung stattfinden, auf die jeweilige Krebserkrankung spezialisiert sein sollte, ist eine Überweisung an ein zertifiziertes Krebszentrum immer die beste Wahl. Der Vorteil dieser stationären und ambulanten Einrichtungen, von denen es bundesweit verstreut inzwischen zahlreiche gibt, liegt vor allem in der engen Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen. Steht die exakte Diagnose fest, stellt sich die Frage nach der passenden Therapie. Waren bis zum Ende des 20. Jahrhunderts Operationen sowie Strahlen- und Chemotherapien weitestgehend alternativlos, haben sich gerade um das Jahr 2000 mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms viele neue Chancen aufgetan. Dieser Forschungserfolg ermöglicht es, für Krankheiten auf Basis der Erbgutanalyse eine bessere Pro­gnose zu geben, den Tumor genauer zu diagnostizieren und letztlich individuell zu therapieren. 

Grundsätzlich hängt eine Krebstherapie immer von der Tumorart ab, sodass der Therapieverlauf ganz unterschiedlich verläuft. Und: Nicht alle Patienten sprechen angesichts ganz persönlicher Besonderheiten beziehungsweise eigener genetischer Ausstattung gleich gut auf eine Behandlung an. Das heißt, dass selbst die gleiche Krankheit bei verschiedenen Menschen unterschiedliche Ursachen haben kann oder dass Medikamente individuell vom Körper verarbeitet werden. Dieser Tatsache nimmt sich die personalisierte Krebsmedizin an, indem sie unterschiedliche Krankheitsursachen identifiziert und dementsprechend die Behandlung anpasst.

Krebs und das Immunsystem: Immuntherapie im Blickpunkt

Beispielhaft für personalisierte Krebstherapien ist die sogenannte CAR-T-Zelltherapie, eine Immuntherapie, die das körpereigene Immunsystem befähigt, sich gegen spezifische Zielzellen zu richten. Hierbei werden körpereigene Abwehrzellen, T-Lymphozyten, des zu behandelnden Patienten im Labor mit Gentechnik so modifiziert, dass sie diese Zielzellen aufspüren und zerstören können – eine Therapie, die sich Fachleuten zufolge bei Leukämien und Lymphdrüsenkrebs etablieren wird. 

Allerdings birgt diese innovative Therapie auch Risiken. Hierzu zählen vor allem Entzündungsreaktionen, weshalb die CAR-T-Zelltherapie bislang zumeist nur in bestimmten Fällen und als letzte Option zum Einsatz kommt. Ganz abgesehen von den hohen Kosten, die nicht jede Krankenkasse trägt. Doch es gibt einen entscheidenden Punkt, der in die Gesamtkosten einzupreisen ist: Denn bereits eine Infusion kann ausreichen, um den Tumor dauerhaft zu zerstören, was sie letztlich sogar kostengünstiger als etwa eine Chemotherapie macht, welche langfristig ausgerichtet ist.

Längere Überlebenszeit

Welche Auswirkung eine individuell zugeschnittene Therapie gerade bei Krebspatienten hat, deren Krankheit sich im Endstadium befindet, veröffentlichte eine Studiengruppe Ende Januar in der Fachzeitschrift „ESMO“. In ihrer Studie untersuchten die Forschenden, ob sich die neuen molekularbiologischen, individuell festzulegenden Therapien für die Betroffenen wirklich in einem Lebenszeitgewinn auszahlen. Hierfür gegenübergestellt wurden die Überlebenszeiten von 196 Krebserkrankten, bei denen im Zeitraum zwischen den Jahren 2020 und 2023 eine sogenannte Treibervariante im Tumorgewebe entdeckt wurde, die spezielle zielgerichtete molekulare Therapien ermöglicht. Während in der Endphase ihrer Tumorerkrankung eine Gruppe personalisiert therapiert wurde, entschied man sich in der anderen Gruppe gegen diese Therapieform. Das Ergebnis der Untersuchung: Diejenigen, die zielgerichtete Therapien wie HER2-Blocker, PARP-Hemmer oder Immuncheckpointblocker erhielten, hatten mit dem 2,6-Fachen ein deutlich längeres Gesamtüberleben als diejenigen, die eine nicht zielgerichtete oder gar keine Therapie bekamen. 

Einbezug von Patienten 

Welche Therapie letztlich zum Einsatz kommt, hängt immer von der Erkrankung an sich, aber auch von der individuellen Situation ab. Nicht zu unterschätzen ist zudem die Meinung der Krebspatienten selbst. Denn in manchen Fällen kommt es im Nachhinein vor, dass Patienten mit einer Therapieentscheidung unzufrieden sind. Betroffene bedauerten ihre Therapieentscheidung beispielsweise dann häufiger, wenn sie eine vergleichsweise radikale Therapie mit vielen Nebenwirkungen, Langzeit- oder Spätfolgen erhielten, wie bei der Entfernung der Blase oder Prostata, oder wenn die Therapie nicht so erfolgreich war wie erhofft. 

Um die oft schwierige Entscheidung für oder gegen eine Therapie treffen zu können, empfehlen Autorinnen und Autoren verschiedener Studien, Betroffene aktiv in die Entscheidungsfindung einzubinden und mit Info-Broschüren als Entscheidungshilfen zu unterstützen. Stichwort Shared Decision-Making: Hier treffen Patienten und behandelnde Ärzte gemeinsam Entscheidungen, in die Lebensumstände, Erwartungen und Bedürfnisse der Betroffenen einfließen. Zusammen mit dem Fachwissen, Erfahrungen und den Einschätzungen der Ärzte wird letztlich die passende Lösung gefunden.

Teilnahme an einer Studie

Steht noch keine etablierte Therapieform zur Verfügung, kann für Krebserkrankte die Teilnahme an einer Studie eine Chance sein, frühzeitig Zugang zu innovativen Therapiemethoden zu bekommen, welche es im klinischen Alltag noch nicht gibt. Teilnehmende werden so zudem intensiv betreut und engmaschig überwacht – was auch für jene Probanden gilt, die der Vergleichsgruppe angehören und eine herkömmliche Therapie bekommen.

Grundsätzlich sollten Betroffene, etwa aus Sorge, sich vermeintlich falsch festzulegen, Therapieentscheidungen nicht langfristig hinauszögern oder gar vermeiden. Jedoch muss in den meisten Fällen auch nichts überstürzt werden. Krebs ist zumeist keine akute Erkrankung, welche sofortiges Handeln notwendig macht. Häufig besteht ausreichend Zeit, um sich ausführlich mit möglichen Folgen und Nebenwirkungen einer Therapie auseinanderzusetzen. Bleiben Unsicherheiten, kann das Einholen einer Zweitmeinung von besonderer Relevanz sein.

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