Molekulare Diagnostik

Wertvolle Werkzeuge der personalisierten Krebsmedizin

Von Mark Krüger · 2025

Das Ziel molekularbiologischer Methoden ist klar definiert: die Eigenschaften von Tumoren besser zu verstehen, die Wirksamkeit von Therapien zu überwachen und Rückfälle frühzeitig zu erkennen. Aber können die Verfahren, wie die moderne Liquid Biopsy, auch der Früherkennung von Krebs dienen? Und welche Rolle spielen Proteine?

Ein Proteom auf einem blauen Hintergrund
Das Proteom umfasst alle Proteine einer Zelle oder eines Lebewesens zu einem bestimmten Zeitpunkt. Foto: iStock / ArtemisDiana

Fakt ist: Krebszellen unterscheiden sich von normalen Körperzellen. Aufgrund von Veränderungen im Erbmaterial, die selbst innerhalb einer Tumorart unterschiedlich sein können, produzieren sie zum Beispiel Proteine in anderen Mengen oder mit Baufehlern. Die jeweiligen Eigenschaften eines Tumors können dank den immensen Fortschritten bei den molekularbiologischen Methoden und Techniken untersucht werden. Genauer gesagt, ist man sogenannten Tumormarkern wie bestimmten Proteinen und anderen Biomarkern, zum Beispiel genetischen Markern, die mittels Genexpressionstests heutzutage etwa bei Brustkrebs gemessen werden können, auf der Spur. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen beeinflussen die individuelle Therapieplanung; Fachleute sprechen von personalisierter Krebsmedizin oder Präzisionsonkologie.

Biopsie: Gewinnung von Probenmaterial

Doch wie gelangt man an die wertvollen Informationen? Der Klassiker: die Biopsie in Form einer Gewebeprobe. Heutzutage erfolgt die Biopsie zunehmend in Form der sogenannten Liquid Biopsy. Im Gegensatz zur konventionellen punktuellen Biopsie, die einen invasiven Eingriff am Tumor zur Gewebeentnahme erfordert, braucht es für die Liquid Biopsy nur (Körper-)Flüssigkeiten in Form von Blut. Aber auch Urin und Speichel beispielsweise kommen infrage und geben Aufschluss über eine Krebserkrankung.
Warum? Alle Organe sind über den Blutkreislauf miteinander verbunden und hinterlassen im Blut ihre Spuren. Kommt es zu einem meist üblichen Zerfall von Tumorzellen, werden Bruchstücke ihrer DNA, also Erbinformationen, ins Blut geschwemmt. Mithilfe modernster Verfahren können frei im Blut zirkulierende Tumorzellen (CTCs) und fragmentierte Tumor-DNA (ctDNA) nachgewiesen werden. Dies gelingt aber erst durch die Entwicklung neuer Verfahren zum hochsensitiven Nachweis von Nukleinsäuren, wie dem Next Generation Sequencing (NGS) oder der digitalen Polymerasekettenreaktion (ddPCR). 

Liquid Biopsy im Einsatz

Einzelne Verfahren der Liquid Biopsy haben in der Onkologie bereits einen klinischen Stellenwert und spielen eine entscheidende Rolle in der personalisierten Krebsmedizin: Sie dienen der Abschätzung des Metastasierungsrisikos, der Identifizierung therapeutischer Zielstrukturen sowie dem Tumor-Monitoring – und zwar individuell für jede Patientin und jeden Patienten, sprich personalisiert. So können frühzeitig der Krankheitsverlauf und das Ansprechen der Krebserkrankung auf die Therapie, etwa eine Chemotherapie, individuell beurteilt werden. Bei der Nachsorge kann die Bestimmung bekannter Marker im Blut Aufschluss über Rückfälle geben – und dies laut Studien, bevor ein Rezidiv etwa im CT sichtbar wird. Ein Beispiel aus der Praxis ist der Nachweis von CTCs bei Patientinnen mit Brustkrebs. Ihre Menge gibt Hinweise auf den wahrscheinlichen Krankheitsverlauf. Viele Anwendungen werden derzeit in Studien untersucht. So brachte eine im Januar 2025 in „Nature Medicine“ veröffentlichte Studie zutage, dass eine neue ultrahochsensitive Liquid Biopsy die Prognose bei Lungenkrebs besser voraussagen kann. 

Molekulare Diagnostik: Früherkennung möglich? 

Auch im Bereich Früherkennung von Krebs haben erste Liquid-Biopsy-basierte Multi-Cancer Detection Tests (MCD) in Studien zum Teil vielversprechende Ergebnisse erzielt. So auch jener Test des kalifornischen Herstellers Grail, der über 50 Krebserkrankungen an den Methylierungsmustern der zellfreien DNA frühzeitig und mit großer Genauigkeit identifizieren soll und im Jahr 2022 für Furore sorgte. Wenngleich Expertinnen und Experten des renommierten medizinischen Fachjournals „British Medical Journal“ (BMJ) im Herbst letzten Jahres Zweifel an der Genauigkeit des Tests und der Ethik hinter den Studien geäußert haben. Die große Herausforderung bei solchen Tests zur Früherkennung liegt darin, dass kein Tumor dem anderen gleicht. Nicht nur die Tumorzellen verschiedener Krebsarten unterscheiden sich, sondern auch die Zellen von Tumoren innerhalb einer Krebsart. 

Das heißt: Derartige Tests müssten einerseits möglichst „universell“ sein, damit viele unterschiedliche Tumoren mit ihm identifiziert werden können. Andererseits darf der Test aber nicht so unspezifisch werden, dass er häufig „falschen Alarm“ auslöst. Ein weiterer Aspekt sind die hohen Kosten, die mit der aufwendigen molekulargenetischen Diagnostik verbunden sind. Der „Grail-Test“ kostet aktuell rund 1.000 US-Dollar. 

Proteine im Fokus

Eine kostengünstigere Alternative hat ein ebenfalls in Kalifornien ansässiges Unternehmen parat, zumindest in der Theorie: einen Liquid-Biopsy-Test zur Früherkennung bestimmter Krebserkrankungen, der auf dem Nachweis von Proteinen basiert. Denn fest steht: Auch Proteinmuster geben Aufschluss über einen Tumor und seine Genese. Der Mensch besitzt in seinen Zellen rund 20.000 Protein-kodierende Gene. Ihre korrekte Funktion entscheidet über die Funktionsfähigkeit einer Zelle. Jedes Gen kann jedoch mutieren und so ein fehlerhaftes Protein hervorbringen. Dies kann in der Folge zu einer Krebserkrankung führen.

Grundlage für den Test war eine Proteomanalyse an Blutproben von 440 Personen, von denen 396 an 18 verschiedenen Krebserkrankungen litten, und Blutsamples von gesunden Menschen. Gesucht wurde in jeder Probe nach gut 3.000 tumorrelevanten Proteinen. Am Ende konnten insgesamt zehn Proteine identifiziert werden, mit denen 18 Krebsarten früh erkannt werden können. Die Ergebnisse haben die Forschenden Anfang 2024 in „BMJ Oncology“ vorstellt. Der klinische Nutzen muss allerdings noch unter Beweis gestellt werden. 

Die Hoffnung auf Bluttests zur Früherkennung von Krebs wird, da sind sich Fachleute einig, auch weiterhin ein großes Thema in der onkologischen Forschung sowie in der Pharma- beziehungsweise Diagnostik-Industrie bleiben. Mit der Identifizierung von krankheitsrelevanten Protein-Biomarkern könnten in Zukunft aber nicht nur Krebserkrankungen früher diagnostiziert und deren Verlauf prognostiziert werden, um die Behandlung zu verbessern. Sie könnten künftig sogar auch als therapeutische Zielmoleküle und somit einer personalisierten Krebsmedizin dienen – der molekularbiologischen Forschung und dem technischen Fortschritt sei Dank.

Schon gewusst?

Tumormarker und andere Biomarker spielen in der Krebsmedizin eine wichtige Rolle: Sie dienen dazu, die Erkrankung einer Patientin oder eines Patienten besser zu verstehen, ihren Verlauf abzuschätzen, die Therapie zu planen und den Behandlungserfolg zu überwachen. Es gibt unterschiedliche Arten von Markern, die in Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin oder an Gewebeproben gemessen werden können. Nicht für alle Krebsarten oder Krankheitssituationen stehen allerdings Biomarker zur Verfügung, deren Nutzen belegt ist.

Mehr Informationen unter: www.krebsinformationsdienst.de/untersuchungen-bei-krebs/molekulare-diagnostik

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