Thermo-Chemotherapie bei Harnblasenkrebs

„Mit Thermo-Chemotherapie onkologisch größere Effekte erzielen“

Von Nadine Effert · 2022

Portrait: Axel Heidenreich

Rund 17.000 Menschen in Deutschland erkranken jährlich neu an Harnblasenkrebs. Prof. Dr. med. Dr. h. c. Axel Heidenreich, Direktor der Klinik für Urologie, Uro-Onkologie, Roboter-assistierte und Spezielle Urologische Chirurgie am Universitätsklinikum Köln, berichtet über die Möglichkeiten der Therapie und wie das Rückfallrisiko am effektivsten gesenkt werden kann.

Welche Anzeichen können auf ein Harnblasenkarzinom hinweisen?

Typisches Erstsymptom bei etwa 80 Prozent der Betroffenen sind Spuren von mit dem bloßen Auge erkennbaren oder mikroskopisch sichtbarem Blut im Urin. Unspezifische Beschwerden sind häufiger Harndrang oder Schmerzen beim Wasserlassen. Eine Blasenspiegelung kann bei Verdacht eine frühe Diagnose mit nachfolgender zielgerichteter Therapie ermöglichen. Zuerst ist aber die Entnahme von Gewebeproben erforderlich, um das Tumorstadium zu definieren.

Im Idealfall handelt es sich um einen noch nicht muskelinvasiven Tumor ...

Genau. Denn hat der Tumor noch nicht die Muskulatur der Blasenwand infiltriert, muss die Blase selbst nicht entfernt werden. Der Resektion des Tumors folgt in der Regel eine Behandlung mit einem Chemotherapeutikum oder dem Immuntherapeutikum BCG, das als Spülung in die Blase eingebracht wird. Ziel ist es, potenziell zurückgebliebene mikroskopische Krebszellen zu beseitigen, wodurch das Rezidivrisiko, also das Risiko, dass der Krebs wieder auftritt, um etwa 50 Prozent abgesenkt werden kann. Die Kehrseite der Medaille können mitunter starke Nebenwirkungen sein – darunter Harnwegsinfektionen, ausgeprägter Harndrang oder die Ausschwemmung der BCG-Bakterien in die Blutbahn.

Wie ist das Vorgehen bei Patienten mit einem höheren Rückfallrisiko?

Bei High-Risk-Tumoren ist die BCG-Therapie über die Zeitdauer von einem Jahr bis zu drei Jahren hinweg Standard. Kommt es nach der BCG-Therapie zu einem Rezidiv, setzen wir unter individuellen Voraussetzungen als Alternative zur Zystektomie, sprich der Blasenentfernung, die hyperthermische intravesikale Chemotherapie, kurz HIVEC, ein.

Wie funktioniert die HIVEC?

Bei dieser Therapie wird das Chemotherapeutikum mithilfe eines technischen Gerätes auf 43 Grad Celsius erwärmt und über einen Katheter der Harnblase zugeführt. Auch hier ist für einen maximalen Therapieeffekt eine länger andauernde Erhaltungstherapie mit sechs wöchentlichen, gefolgt von sechs monatlichen, Instillationen notwendig.

Welche Vorteile hat dieses Verfahren?

Durch die Wärme kann das Chemotherapeutikum tiefer in die Wandschichten der Blase eindringen, wodurch ein größerer onkologischer Effekt erzielt werden kann – ohne die Patienten zusätzlich zu belasten. Wir erzielen bislang gute Ergebnisse: Etwa 70 Prozent unserer Patienten sind nach einer Nachbeobachtungszeit von zwei Jahren tumorfrei.

Es gibt nun erste Langzeitdaten zum Einsatz der HIVEC bei nicht-muskelinvasivem Blasenkarzinom – mit welchem Ergebnis?

Die Studie dokumentiert eine hohe therapeutische Effektivität der HIVEC-Therapie: Bei den Patienten betrug das rezidivfreie Überleben 50 Prozent und das progressionsfreie Überleben 89 Prozent.

Ist eine Rezidivrate von 50 Prozent zufriedenstellend?

Ja, denn bei jenen Patienten, die ein Rezidiv entwickelt haben, lag nur in knapp zehn Prozent der Fälle eine Muskelinvasivität vor, die eine radikale Zystektomie erforderlich machte. Das primäre Ziel des Blasenerhalts konnte somit bei gut 90 Prozent der Patienten ohne onkologischen Nachteil realisiert werden.

Können Sie einen weiteren Aspekt der Studie im klinischen Alltag nutzen?

Ja, in puncto Erarbeitung von Risikofaktoren. Patienten mit High-Risk-Tumoren oder mit Rezidiven nach stattgehabter intravesikaler Instillationstherapie ohne Erhaltungstherapie haben ein circa dreifach erhöhtes Risiko für eine Progression. Gerade diese Patienten benötigen eine genaue Nachsorge unter Therapie. Trotz der sehr vielversprechenden Studiendaten ist die Durchführung einer prospektiven Studie im direkten Vergleich zu den zugelassenen Substanzen erforderlich.

Harnblasenkrebs: 4 Fakten

Definition: bösartiger Tumor, der in der Blasenschleimhaut entsteht

Mittleres Erkrankungsalter: 70 Jahre

Häufigkeit nach Geschlecht: Männer sind dreimal häufiger betroffen.

Wichtige Risikofaktoren: Rauchen, chemische Stoffe, chronische Blasenentzündungen, Bestrahlungen

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