Urologische Tumorerkrankungen

"Heute können wir onkologisch höhere Effekte erzielen"

Von Nadine Effert · 2021

Portrait: Prof. Dr. med. Dr. h. c. Axel Heidenreich
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Axel Heidenreich, Direktor der Klinik für Urologie, Uro-Onkologie, Roboterassistierte und Spezielle Urologische Chirurgie.

Rund 17.000 Menschen in Deutschland erkranken jährlich neu an Harnblasenkrebs. Prof. Dr. med. Dr. h. c. Axel Heidenreich, Direktor der Klinik für Urologie, Uro-Onkologie, Roboterassistierte und Spezielle Urologische Chirurgie am Universitätsklinikum Köln, über das Thema Früherkennung und Möglichkeiten der Therapie.

Warum spielt Harnblasenkrebs, obwohl zweithäufigste urologische Tumorerkrankung, im Bewusstsein der Bevölkerung eine nicht so präsente Rolle?

Weil Prostatakrebs etwa dreimal häufiger vorkommt und in der Öffentlichkeit sehr kontrovers über die Frage einer Überdiagnose und Übertherapie diskutiert wird. Das Blasenkarzinom erscheint eher als ein seltener Tumor, man ist sich der Häufigkeit und der ungünstigeren Therapieoptionen nicht oder nur kaum bewusst. 

Welche Anzeichen können auf ein Harnblasenkarzinom hinweisen?

Typisches Erstsymptom bei etwa 80 Prozent der Betroffenen sind Spuren von mit dem bloßen Auge erkennbaren oder mikroskopisch sichtbarem Blut im Urin. Unspezifische Beschwerden sind häufiger Harndrang oder Schmerzen beim Wasserlassen. Umso früher ein Blasenkarzinom entdeckt und behandelt wird, desto besser. Eine Blasenspiegelung kann bei Verdacht eine frühe Diagnose mit nachfolgender zielgerichteter Therapie ermöglichen. Als Erstes ist die Entnahme von Gewebeproben erforderlich, um das Tumorstadium zu definieren. 

Viele Tumoren werden erst im späten Stadium diagnostiziert – warum?

Zum einen können die unspezifischen Symptome auch einer Blasenentzündung zugeordnet werden. Zum anderen sind die Blutbeimengungen im Urin nicht dauerhaft vorhanden, sodass mit deren Verschwinden für viele Patienten der Grund für einen Arztbesuch wegfällt. Die Notwendigkeit der invasiven Diagnostik zur verlässlichen Früherkennung bedingt auch, dass es für Blasenkrebs kein strukturiertes Screening gibt. Jedoch kann bei Risikopatienten ein jährliches Screening, mittels Urinuntersuchung und bei Bedarf anschließender Blasenspiegelung, sinnvoll sein.

Das Stadium entscheidet über die Art der Therapie?

Richtig. Wir unterscheiden muskelinvasive und nichtmuskelinvasive Tumoren. Im Idealfall hat der Tumor noch nicht die Muskulatur der Blasenwand infiltriert, sodass die Blase selbst nicht entfernt werden muss. Der Resektion des Tumors folgt in der Regel eine Behandlung mit einem Chemotherapeutikum oder dem Immuntherapeutikum BCG, das als Spülung in die Blase eingebracht wird. Ziel ist es, potenziell zurückgebliebene mikroskopische Krebszellen zu beseitigen, wodurch das Rezidivrisiko um etwa 50 Prozent abgesenkt werden kann.

Wie ist das Vorgehen bei Patienten mit einem höheren Rückfallrisiko?

Bei High-Risk-Tumoren ist die BCG-Therapie über die Zeitdauer von einem Jahr hinweg Standard. Sie kann mit Nebenwirkungen wie Harnwegsinfektionen, häufigem Harndrang oder Ausschwemmung der BCG-Bakterien in die Blutbahn verbunden sein. Bei Patienten, die nach BCG-Therapie ein Rezidiv erleiden, setzen wir unter individuellen Voraussetzungen als Alternative zur Blasenentfernung die hyperthermische intravesikale Chemotherapie, kurz HIVEC, ein, bei der das Chemotherapeutikum mithilfe eines technischen Gerätes auf 42 Grad Celsius erwärmt und über einen Katheter der Harnblase zugeführt wird. Auch hier ist, für einen maximalen Therapieeffekt, eine länger andauernde Therapie mit sechs wöchentlichen gefolgt von sechs monatlichen Instillationen notwendig. 

Welche Vorteile hat dieses Verfahren?

Durch die Wärme kann das Chemotherapeutikum tiefer in die Wandschichten der Blase eindringen, wodurch ein höherer onkologischer Effekt erzielt werden kann – ohne die Patienten zusätzlich zu belasten. Wir erzielen bislang gute Ergebnisse mit diesem relativ neuen Verfahren: Etwa 70 Prozent unserer Patienten sind nach einer Nachbeobachtungszeit von zwei Jahren tumorfrei.

Harnblasenkrebs

Definition: bösartiger Tumor, der in der Blasenschleimhaut entsteht.

Mittleres Erkrankungsalter: 70 Jahre.

Häufigkeit nach Geschlecht: Männer sind dreimal häufiger betroffen, allerdings endet die Krankheit bei Frauen häufiger tödlich.

Wichtige Risikofaktoren: Rauchen, chemische Stoffe, chronische Blasenentzündungen, Bestrahlungen.

Array
(
    [micrositeID] => 46
    [micro_portalID] => 26
    [micro_name] => Leben mit Krebs
    [micro_image] => 4605
    [micro_user] => 1
    [micro_created] => 1486386337
    [micro_last_edit_user] => 1
    [micro_last_edit_date] => 1567520862
    [micro_cID] => 1538
    [micro_status] => 1
    [micro_cache] => 0
    [deleted] => 0
)